Einführung in Learning Analytics

Einführung in Learning Analytics

Update: 2025-08-18
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Das größte Missverständnis über Learning Analytics ist nicht die Technik. Es ist die Annahme, dass Datensammeln allein reicht. Falsch. Ohne den Schritt zur praktischen Anwendung, ohne Evaluation, bleiben Sie mit Tabellen voller Zahlen zurück, die keinem Studenten weiterhelfen. Heute schauen wir genau hier hin: Wie Sie Lern-Daten nutzen, um zu handeln – und nicht nur zu analysieren. Denn die eigentliche Kraft von Learning Analytics beginnt erst nach der Sammlung.

Warum Daten allein wertlos sind

Warum sammeln über 80 Prozent der Bildungseinrichtungen Daten, nutzen aber nur rund 20 Prozent davon tatsächlich zur Verbesserung des Lernens? Die Zahl klingt fast absurd, aber sie spiegelt die Realität wider. Institutionen investieren viel Geld, Zeit und Infrastruktur in die Erfassung von Datenpunkten, doch am Ende bleibt das meiste davon ungenutzt in Datenbanken liegen. Genau hier entsteht das Paradoxon: Wir sind datenreich, aber handlungsarm. Das Grundproblem beginnt oft schon in der Haltung gegenüber Zahlen. Viele Entscheider sehen Daten nicht als Werkzeug, sondern als Ziel. Man ist stolz darauf, Systeme mit detaillierten Protokollen zu haben, mit Exportfunktionen und komplexen Tabellen voller Kennzahlen. Aber das bloße Anhäufen von Informationen macht den Lernprozess nicht besser. Daten sind Mittel, keine Trophäe, die man präsentieren kann. Wenn sie nur gesammelt, aber nicht interpretiert werden, füllen sie zwar Speicherplätze, schaffen aber keinen erkennbaren Mehrwert. Stellen Sie sich ein Learning Management System vor, das akribisch Klicks dokumentiert, Login-Zeiten speichert und jede abgegebene Abgabe verfolgt. Innerhalb weniger Monate sammeln sich Gigabytes an Rohdaten, die niemand je ansieht. Administratoren exportieren vielleicht einen Report am Ende des Quartals, sehen Spalten mit Hunderten Zeilen, und das war’s. Kein Muster wird erkannt, keine Maßnahme eingeleitet, kein Kurs angepasst. Genau hier zeigt sich die Sackgasse: Daten ohne Auswertung sind wertlos. In der Forschung und im Praxiseinsatz taucht deshalb immer wieder der Ausdruck „Data Rich, Insight Poor“ auf. Das fasst das Problem präzise zusammen. Wir ertrinken in Zahlen, aber die entscheidenden Einsichten fehlen. Die Analogie ist simpel: Ein Thermometer misst Temperatur, aber wenn niemand daraus ableitet, ob geheizt oder gelüftet werden sollte, bleibt es ein Stück Plastik ohne Nutzen. Genau dasselbe passiert mit Learning Analytics, wenn wir nur messen, ohne Handlungen folgen zu lassen. Besonders in Zeiten, in denen jedes Tool vermeintlich Analysefunktionen bietet, steigt die Gefahr, sich in oberflächlichen Kennzahlen zu verlieren. Klickzahlen sehen beeindruckend aus. Kurven über durchschnittliche Login-Dauer können hübsch wirken. Doch welche konkrete Entscheidung leitet eine Lehrkraft daraus ab? Hier erkauft man sich nur die Illusion von Kontrolle, während die eigentliche Handlungsebene ausbleibt. Ein weiteres Muster ist, dass Tabellen mit Daten oft als „Beweis“ dienen, aber nicht als Ausgangspunkt für eine Verbesserung. Ein Rektor präsentiert stolz die Datentiefe des neuen Systems in Sitzungen, aber es bleibt bei der Symbolik. Im Unterricht merken Lehrkräfte davon nichts, und Studierende haben keine spürbare Verbesserung im Lernprozess. Die Distanz zwischen Datensammlung und realer Unterrichtsgestaltung ist eine Lücke, die Systeme allein nicht schließen. Ein konkretes Beispiel: In einem Unternehmen wurden alle Trainings auf ein neues LMS verlagert. Es gab Berichte über Teilnahmen, Abbruchquoten und durchschnittliche Quiz-Zeiten. Nach einem Jahr stellte sich heraus, dass zwar Unmengen an Informationen vorlagen, aber keine Anpassung des Curriculums vorgenommen wurde. Führungskräfte wussten zwar, wie viele Teilnehmende sich eingeloggt hatten, aber nicht, warum bestimmte Kurse nie abgeschlossen wurden oder welche Inhalte besonders schwierig waren. Der vermeintliche Fortschritt der Digitalisierung blieb ein Papiertiger. Genau das ist der Kern des Problems: Wir verwechseln Aktivität mit Wirkung. Datensammlung selbst wirkt produktiv – Speicherkapazitäten füllen sich, Reports werden generiert, Dashboards blinken. Aber dieser Aktivismus übersetzt sich nicht automatisch in bessere Lernergebnisse. Er ist eher eine Vorstufe, eine notwendige Bedingung, aber kein Erfolgsrezept. Solange die Interpretation fehlt, bleiben wir auf halbem Weg stehen. Interessant ist auch, wie unterschiedlich Stakeholder mit denselben Tabellen umgehen. Administrierende betrachten meist nur aggregierte Durchschnittswerte, während Lehrkräfte eher an Einzelverläufen interessiert wären. Studierende sehen wiederum überhaupt nichts davon, obwohl genau ihr Verhalten eigentlich Mittelpunkt der Analyse sein sollte. Dieser Bruch macht deutlich: Daten sprechen nicht für sich selbst. Sie brauchen Übersetzung und Zielrichtung. Dazu kommt noch ein kultureller Faktor. In vielen Organisationen wird „mehr Daten sammeln“ als Fortschritt gesehen, auch wenn niemand erklären kann, wie aus den zusätzlichen Informationen dann tatsächlich Maßnahmen entstehen sollen. Das erzeugt eine gewisse Schieflage: Wer eine neue Tracking-Funktion einführt, gilt als innovativ, aber wer konsequent fragt, wie daraus bessere Lernunterstützung entsteht, wirkt mühsam oder „detailverliebt“. So überlebt die Illusion, dass Sammeln an sich schon ein Erfolg sei. Stellen Sie sich das Ganze wie ein Fitness-Tracker am Handgelenk vor. Er zählt Schritte, Puls, Kalorien und Schlafzyklen. Doch wenn Sie diese Werte nur betrachten und sich vielleicht über einen hübschen Wochenvergleich freuen, verändert sich Ihre Gesundheit kein bisschen. Erst wenn Sie merken, dass Sie im Schnitt zu wenig Tiefschlaf haben und deshalb die Abendroutine ändern, hat der Tracker einen Sinn. Genauso verhält es sich mit Learning Analytics: Die Zahl selbst ist nebensächlich, entscheidend ist die Ableitung. Wir können den Punkt noch klarer machen. Nehmen wir an, ein Kurs zeigt eine Abschlussquote von 65 Prozent. Das klingt nach einer konkreten Zahl. Aber ohne Kontext ist sie wertlos. Geht es um ein besonders schweres Thema, in dem 65 Prozent sogar überdurchschnittlich gut sind? Oder liegt ein strukturelles Problem vor, das eigentlich leicht behoben werden könnte? Erst wenn die Zahl eingeordnet und die Ursache untersucht wird, entfaltet sie Bedeutung. Darum ist klar: Die größte Schwachstelle liegt nicht im Mangel an Daten, sondern im Fehlen der Evaluation. Wir müssen die Zahlen mit Hypothesen verknüpfen, prüfen, welche Signale tatsächlich auf Probleme verweisen, und daraus konkrete Maßnahmen ableiten. Evaluation bedeutet nicht nur Auswertung, sondern auch Rückkopplung in den Prozess – der eigentlich entscheidende Teil. Am Ende bleibt eine einfache Erkenntnis. Datensammlung ist niemals das Ziel, sondern lediglich der Einstieg. Sammlung bedeutet Schritt eins, aber nicht den Höhepunkt. Erst die Interpretation, die Verbindung zur Praxis und die Umsetzung schaffen echten Lernfortschritt. Erfolgreiche Analytics-Projekte zeigen genau das: Sie setzen Daten wie Werkzeuge ein, die konkrete Handlungen ermöglichen – nicht wie Trophäen, die im Regal verstauben. Die Erfahrung zeigt, dass dieser Schritt vielen schwerfällt, weil er Verantwortung erzeugt. Wer Daten interpretiert, muss auch handeln. Ein Lehrer, der erkennt, dass ein Drittel seiner Klasse bei einem Thema abbricht, muss reagieren – sei es mit Zusatzmaterial, Gruppendiskussionen oder veränderten Methoden. Unbequeme Daten sind eine Aufforderung, nicht nur eine Statistik. Aber genau darin liegt die eigentliche Stärke von Learning Analytics, wenn es ernst genommen wird. Die Mini-Payoff hier ist eindeutig: Daten ohne Handlung sind Dekoration. Daten mit Interpretation sind ein Werkzeug. Sie eröffnen die Möglichkeit, Lernprozesse Schritt für Schritt zu verbessern, Lernende gezielt zu unterstützen und den Unterricht an kniffligen Stellen wirkungsvoller zu machen. Mit anderen Worten: Erst die gezielte Auswertung macht aus rohen Zahlen einen echten Vorteil. Die entscheidende Frage lautet jetzt: Wie erkennen wir, welche Daten überhaupt das Potenzial für solche Verbesserungen haben und welche nur Lärm erzeugen? Denn nicht jedes Dashboard-Symbol ist gleich wertvoll. Genau darauf schauen wir im nächsten Schritt. Die Kunst, 'gute' Daten zu erkennen

Nicht alle Daten sind gleich wertvoll – und genau hier beginnt die eigentliche Kunst von Learning Analytics. In fast jedem modernen Learning Management System werden Unmengen an Zahlen gesammelt: wer sich eingeloggt hat, wie oft auf eine Seite geklickt wurde, wie lange ein Modul geöffnet war. Doch die zentrale Frage ist nicht, wie groß die Datenbank ist, sondern: Welche dieser Daten sagen wirklich etwas über den Lernerfolg aus? Und welche sind nur Zahlenrauschen, das uns beschäftigt hält, aber keine Handlung erzeugt? Wenn wir ehrlich sind, neigen viele Administratoren dazu, genau diese oberflächlichen Werte als Beleg für Fortschritt zu nutzen. Ein Diagramm mit steigenden Anmeldungen wirkt beeindruckend, eine Statistik zu durchschnittlichen Sitzungszeiten sieht aus wie ein Erfolg. Aber was verrät sie wirklich? Nur weil jemand ein Modul zwei Stunden geöffnet hat, bedeutet das nicht, dass er inhaltlich verstanden hat, worum es ging. Vielleicht war nur der Tab offen, während nebenbei E-Mails beantwortet wurden. Hier zeigt sich die Illusion von Information: Die Zahl existiert, aber ihre Bedeutung ist zweifelhaft. Vanity Metrics nennt man diese Art von Kennzahlen, die auf den ersten Blick schick aussehen, aber keinerlei Handlungswert besitzen. Sie schmücken Reports, aber keine Lehrkraft kann daraus eine konkrete Intervention ableiten. Genau das unterscheidet sie von guten Daten. Und hier wird es spannend: Der Unterschied liegt nicht im Sammeln, sondern im Einordnen. Nehmen wir ein Beispiel, das fast überall auftaucht: Die gemessene Zeit pro Modul. Zwei Studierende durchlaufen denselben Kurs. Person A klickt sich in 30 Minuten durch, Person B benötigt zwei Stunden. Wenn wir n

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Mirko Peters - M365 Specialist