Friedrich Ani schreibt in „Schlupfwinkel“ über seine Kindheit
Update: 2025-10-19
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„Ich hatte dieses Buch gar nicht geplant“, sagt Friedrich Ani. „Ich habe einfach angefangen zu schreiben, als meine Mutter dement wurde. Und dann schrieb sich das Buch geradezu von selbst.“ Die Rede ist von „Schlupfwinkel“, einem autobiographischen Text.
„Manche Szenen habe ich fiktional aufgefüllt“, sagt Ani. Und überlegt. „Na ja, so ganz fiktional sind die Szenen dann vielleicht doch nicht.“ In seinem Buch beschreibt er seine Kindheit im bayerischen Kochel am See – mit einem syrischen Vater, einer schlesischen Mutter.
Der Vater war Ende der 1950er Jahre zum Deutschlernen nach Kochel gekommen, studierte später Medizin und wurde Arzt. Trotzdem wurde er von der schlesischen Vertriebenenfamilie manchmal ein „Kameltreiber“ geschimpft. Manchmal ließ man ihn auch einfach vor der verschlossenen Türe stehen.
Nachdem der Vater 2012 verstarb, schrieb Friedrich Ani bereits den Gedichtband „Im Zimmer meines Vaters“. „Zwischen meinem Vater und mir gab es immer eine gewisse Distanz“, sagt Ani im Gespräch mit SWR Kultur. „Das hatte sicher mit der Dominanz meiner Mutter zu tun.“
Friedrich Ani ist ein sehr vielseitiger Autor. Besonders bekannt sind seine fast zwei Dutzend Kriminalromane um den Ermittler Tabor Süden. Aber Friedrich Ani hat auch andere Ermittler erfunden und ihnen auch je mehrere Romane gewidmet. Außerdem hat er Drehbücher geschrieben, Dramen und Hörspiele. Und Lyrik. „Ich habe immer gern geschrieben“, sagt er, „denn Schreiben ist meine Art, in der Welt anwesend zu sein.“
In den letzten Jahren tauchen vermehrt Figuren mit syrisch-arabischer Herkunft in Anis Texten auf. Vermehrt seit dem Tod des Vaters. Unter anderem hat Ani die Ermittlerin Fariza Nasri erfunden, die 2021 im Roman „Letzte Ehre“ auftauchte – und die 2024 in „Lichtjahre im Dunkel“ den berühmten Ermittler Tabor Süden ablöste.
„Ich schreib nicht über Syrien, denn ich würde mir nicht anmaßen, über dieses Land zu schreiben, das ich selbst zu wenig kenne.“ Dennoch: „In den letzten Jahren sind syrische Identitäten in meine Figuren geschlüpft. Das ist ja auch mein eigener Hintergrund, obwohl ich kein Arabisch spreche.“
Leicht haben es diese Figuren nicht. Auch der Vater wird lebenslang immer ein wenig abgelehnt. Warum ist er trotzdem geblieben? Das Buch weiß keine Antwort. Es ist viel Wut im Spiel in „Schlupfwinkel“, denn das Kind versteht vieles nicht. Es wird nie in etwas eingeweiht. Selbst bei der nachgeholten Hochzeit seiner Eltern musste es zuhause bleiben.
„Vor allem bin ich wütend auf mich selbst“, sagt Ani, „denn ich hätte damals rigoroser auftreten müssen, mich mehr wehren, nicht in meinem Zimmer sitzen, meinem Schlupfwinkel.“ Er übernahm das Schweigen seiner Eltern. „Aber ich habe das Schweigen gefüllt mit Schreiben. Ich erfinde mich selbst, indem ich still in meinem Zimmer bin und da etwas schreibe.“
In Anis Kriminalromanen geht es oft um verschwundene Personen. Vermisste treiben ihn um. Vielleicht weil auch seine Eltern aus ihren jeweiligen Heimaten verschwunden sind? Oder weil der Sohn sie nicht zu fassen kriegte? Vielleicht. Friedrich Ani überlegt: „Ich bin vielleicht auch jemand, der verschwunden ist und der sich selbst sucht.“
Sein Buch geht tiefer als erwartet: „Bis zu dieser Buchmesse habe ich nicht viel darüber nachgedacht. Jetzt aber ist das Buch da, und ich spreche darüber, und ich merke, dass mir das Buch sehr nahe geht. Ich dachte, ich wäre cooler damit. Aber ich bin’s nicht.“ Mehr noch: „Ich muss das Buch jetzt ein zweites Mal bewältigen – in der Öffentlichkeit. So eine starke Erfahrung mit einem gedruckten Buch habe ich noch nicht gemacht.“
Wird Friedrich Ani weitere autobiographische Texte schreiben? „Das habe ich nicht geplant. Also möglicherweise nicht. Aber ich würde es auch nicht ausschließen.“ Das Buch „Schlupfwinkel“ hatte er auch nicht geplant. „Vielleicht passiert es nochmal, dass ich ein Buch nicht geplant habe, aber dann doch schreibe.“
„Manche Szenen habe ich fiktional aufgefüllt“, sagt Ani. Und überlegt. „Na ja, so ganz fiktional sind die Szenen dann vielleicht doch nicht.“ In seinem Buch beschreibt er seine Kindheit im bayerischen Kochel am See – mit einem syrischen Vater, einer schlesischen Mutter.
Ein Syrer und eine Schlesierin
Der Vater war Ende der 1950er Jahre zum Deutschlernen nach Kochel gekommen, studierte später Medizin und wurde Arzt. Trotzdem wurde er von der schlesischen Vertriebenenfamilie manchmal ein „Kameltreiber“ geschimpft. Manchmal ließ man ihn auch einfach vor der verschlossenen Türe stehen.
Nachdem der Vater 2012 verstarb, schrieb Friedrich Ani bereits den Gedichtband „Im Zimmer meines Vaters“. „Zwischen meinem Vater und mir gab es immer eine gewisse Distanz“, sagt Ani im Gespräch mit SWR Kultur. „Das hatte sicher mit der Dominanz meiner Mutter zu tun.“
„Schreiben ist meine Art, in der Welt anwesend zu sein.“
Friedrich Ani ist ein sehr vielseitiger Autor. Besonders bekannt sind seine fast zwei Dutzend Kriminalromane um den Ermittler Tabor Süden. Aber Friedrich Ani hat auch andere Ermittler erfunden und ihnen auch je mehrere Romane gewidmet. Außerdem hat er Drehbücher geschrieben, Dramen und Hörspiele. Und Lyrik. „Ich habe immer gern geschrieben“, sagt er, „denn Schreiben ist meine Art, in der Welt anwesend zu sein.“
Ermittlerin Fariza Nasri und andere syrische Figuren
In den letzten Jahren tauchen vermehrt Figuren mit syrisch-arabischer Herkunft in Anis Texten auf. Vermehrt seit dem Tod des Vaters. Unter anderem hat Ani die Ermittlerin Fariza Nasri erfunden, die 2021 im Roman „Letzte Ehre“ auftauchte – und die 2024 in „Lichtjahre im Dunkel“ den berühmten Ermittler Tabor Süden ablöste.
„Ich schreib nicht über Syrien, denn ich würde mir nicht anmaßen, über dieses Land zu schreiben, das ich selbst zu wenig kenne.“ Dennoch: „In den letzten Jahren sind syrische Identitäten in meine Figuren geschlüpft. Das ist ja auch mein eigener Hintergrund, obwohl ich kein Arabisch spreche.“
Die Wut, das Schweigen und das Schreiben
Leicht haben es diese Figuren nicht. Auch der Vater wird lebenslang immer ein wenig abgelehnt. Warum ist er trotzdem geblieben? Das Buch weiß keine Antwort. Es ist viel Wut im Spiel in „Schlupfwinkel“, denn das Kind versteht vieles nicht. Es wird nie in etwas eingeweiht. Selbst bei der nachgeholten Hochzeit seiner Eltern musste es zuhause bleiben.
„Vor allem bin ich wütend auf mich selbst“, sagt Ani, „denn ich hätte damals rigoroser auftreten müssen, mich mehr wehren, nicht in meinem Zimmer sitzen, meinem Schlupfwinkel.“ Er übernahm das Schweigen seiner Eltern. „Aber ich habe das Schweigen gefüllt mit Schreiben. Ich erfinde mich selbst, indem ich still in meinem Zimmer bin und da etwas schreibe.“
„Ich dachte, ich wäre cooler damit. Aber ich bin’s nicht.“
In Anis Kriminalromanen geht es oft um verschwundene Personen. Vermisste treiben ihn um. Vielleicht weil auch seine Eltern aus ihren jeweiligen Heimaten verschwunden sind? Oder weil der Sohn sie nicht zu fassen kriegte? Vielleicht. Friedrich Ani überlegt: „Ich bin vielleicht auch jemand, der verschwunden ist und der sich selbst sucht.“
Sein Buch geht tiefer als erwartet: „Bis zu dieser Buchmesse habe ich nicht viel darüber nachgedacht. Jetzt aber ist das Buch da, und ich spreche darüber, und ich merke, dass mir das Buch sehr nahe geht. Ich dachte, ich wäre cooler damit. Aber ich bin’s nicht.“ Mehr noch: „Ich muss das Buch jetzt ein zweites Mal bewältigen – in der Öffentlichkeit. So eine starke Erfahrung mit einem gedruckten Buch habe ich noch nicht gemacht.“
Mehr Autobiographie? – Vielleicht ja, vielleicht nein!
Wird Friedrich Ani weitere autobiographische Texte schreiben? „Das habe ich nicht geplant. Also möglicherweise nicht. Aber ich würde es auch nicht ausschließen.“ Das Buch „Schlupfwinkel“ hatte er auch nicht geplant. „Vielleicht passiert es nochmal, dass ich ein Buch nicht geplant habe, aber dann doch schreibe.“
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