Gas-Kathi und die Wirtschaftsinkompetenz der CDU
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Gas-Kathi hat einen Plan! Um Deutschlands Stromversorgung für die Zukunft sicher und bezahlbar zu machen, will Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche viele neue Gaskraftwerke bauen. Das wollte ihr Amtsvorgänger Robert Habeck übrigens auch und scheiterte mit diesem Plan in Brüssel. Auch Reiches Plan wurde bereits von der EU zerpflückt und das ist gut so, dient die gesamte Stromstrategie von Reiche doch vor allem den großen Versorgungsunternehmen und schadet der Volkswirtschaft. Leider wird das gesamte Themenspektrum jedoch in der politischen und gesellschaftlichen Debatte mit einer kaum fassbaren volkswirtschaftlichen Inkompetenz betrieben, und da nehmen sich Habecks Grüne und Reiches CDU nichts. Eine Hintergrundbetrachtung von Jens Berger.
Eines der größten Mysterien der Politik ist das wirtschaftspolitische Image der CDU. In den Köpfen vieler Menschen schwirrt immer noch die Vorstellung herum, die CDU sei so etwas wie eine Mittelstandspartei, die sich – im Zweifel auch mal gegen die Interessen der Arbeitnehmer – vor allem für kleinere Unternehmen einsetzt, die das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft bilden. Spannend.
Dabei gibt es streng genommen keine technologische Entwicklung, die die CDU nicht zu Lasten auch der kleinen Unternehmen entweder verschlafen oder sogar so lange aktiv behindert hätte. In den 1990ern hielt der damalige Kanzler Kohl die „Datenautobahn“ für „umstritten“. 2013 – also zehn Jahre nach Gründung der NachDenkSeiten und zwanzig Jahre, nachdem meine Wenigkeit zum ersten Mal von daheim im Internet surfte – verkündete Kohls Mädchen Angela Merkel bar jeder Kompetenz, dass „das Internet für uns alle Neuland“ sei und „unsere Art zu leben“ in Gefahr bringen könnte.
Und auch sonst erwies sich die CDU als wenig visionär. Die digitale Revolution? Verschlafen. Die Mobilitätswende? So gut es geht verhindert. Die Energiewende? Erst verschlafen und dann vom CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier aktiv bekämpft. Die „Jobs der Zukunft“ entstanden woanders, Deutschlands Restwirtschaft sitzt zusammen mit der mehr und mehr genervten Bevölkerung auf den Altlasten und zahlt weltweit mit die höchsten Energiepreise. Wirtschaftskompetenz sieht anders aus.
Und wer nun meint, die CDU hätte aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, muss sich nur die Politik der neuen Wirtschaftsministerin Katherina Reiche anschauen. Nun gut, Reiche ist keine Unbekannte. Und warum irgendwer auf die Idee gekommen ist, die ehemalige(?) Energie-Lobbyistin und Geschäftsführerin einer E.ON-Tochter, deren Eintrag in der Lobbypedia länger als ihr Eintrag in der Wikipedia ist, zur Wirtschafts- und Energieministerin zu machen, ist ein weiteres Mysterium.
Worum geht es? Da die Debatte vergleichsweise komplex ist und von verschiedenen Seiten mit allerlei Unsinn geflutet wird, hier eine grobe Übersicht.
Einer der Parameter, der Deutschlands Industrie über Jahrzehnte lang begünstigt hat, waren die im internationalen Vergleich relativ geringen Energiekosten. Obgleich man auch hier monokausale Erzählungen hinterfragen sollte – die Energiekosten in Deutschland lagen auch in der alten Bundesrepublik stets im europäischen Vergleich im oberen Mittelfeld. Ein Billigenergie-Dorado war Deutschland nie, insbesondere die Industrie konnte jedoch in der Vergangenheit stets – auch dank staatlicher Subventionen – mit einem Energiekostenniveau arbeiten, das zumindest keinen dramatischen Wettbewerbsnachteil darstellte.
Das änderte sich mit der Jahrtausendwende. Fossile Energieträger verteuerten sich nun deutlich. 2020 war der Importpreis für Kohle rund doppelt so teuer wie zur Jahrtausendwende. Für Deutschland entscheidend war jedoch der Wegfall des vergleichsweise preiswerten russischen Erdgases in Folge der Sanktionspakete gegen Russland ab 2022. Zwar wird Erdgas in Deutschland vor allem als Heizenergie genutzt, im Rahmen der Energiewende ist diesem Energieträger jedoch auch eine Schlüsselrolle bei der Bildung des Strompreises zuteilgeworden.
Um das zu verstehen, ist ein kurzer Blick auf die regenerativen Energien nötig, und an dieser Stelle kann man die ohnehin aufgeheizte Klimadebatte ruhig einmal beiseitelassen und das Thema rein ökonomisch betrachten. In den 1990er-Jahren waren regenerative Energien wie Windkraft oder die Erzeugung von Solarstrom noch exotische Nischenfelder, deren Potenzial zwar durchaus verstanden wurde, aber zumindest wirtschaftlich noch in weiter Ferne lag. Um diese Nischentechnologien zu fördern, wurden diese Energien massiv subventioniert. Wer sich beispielsweise im Jahre 2000 eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach bauen ließ, konnte auf die Laufzeit von 20 Jahren mit einer staatlich garantierten Einspeisevergütung von 99 Pfennig (also rund 50 Cent) pro Kilowattstunde kalkulieren. Ein großes Geschäft für die Betreiber waren diese damals noch vergleichsweise ineffizienten und teuren Anlagen übrigens nicht – verschiedene Studien nennen für diese Periode Gestehungskosten von über 40 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh).
Diese Preise scheinen zumindest bei der CDU ja immer noch in den Köpfen herumzuspuken. Die Realität sieht jedoch heute anders aus. Die technologische Fortentwicklung hat sowohl Wind- als auch Solarenergie massiv verbilligt. Schon vor der Energiepreiskrise 2022 lagen die Gestehungskosten für Strom aus Wind- und Photovoltaik durchgängig unter den Gestehungskosten für Strom aus Kernenergie, Kohle oder Erdgas, wobei Letzteres sich seit dem Ende des Bezugs russischen Pipelinegases noch einmal verteuert hat. Heute sind die reinen Gestehungskosten (also inkl. Investitionen) für Strom aus Erdgas mit rund 15 ct/kWh rund dreimal so hoch wie Strom aus Photovoltaik-Großkraftwerken und rund doppelt so hoch wie Strom aus Windkraftwerken.
Aus rein ökonomischer Perspektive macht die Energiewende also durchaus Sinn und müsste nicht zu – wie von der CDU gerne behauptet – höheren, sondern zu niedrigeren Strompreisen führen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, und das hat nichts mit Energieerzeugung, sondern mit den Preismechanismen auf dem Strommarkt zu tun. Dazu hatten die NachDenkSeiten bereits ausführlich berichtet. An dieser Stelle daher nur kurz: Über den Daumen gepeilt lässt sich sagen, dass der Strom in Deutschland um so günstiger wird, je seltener Strom aus Gaskraftwerken ins Netz eingespeist werden muss. Doch warum wird überhaupt teurer Strom aus Erdgas eingespeist?
Das ist ganz einfach. Photovoltaik und Windenergie sind zwar günstig, stehen aber nicht immer zur Verfügung. Nachts lässt sich kein, bei stark bedecktem Himmel nur wenig Strom aus Photovoltaik gewinnen. Und wenn es landesweit eine Flaute gibt, bleiben auch die Windkrafträder stehen. Vor allem die mittlerweile berühmt-berüchtigte Dunkelflaute stellt für die Versorgungssicherheit ein großes Problem dar. Aber wie groß ist das Problem genau?
Hier gibt es verschiedene Positionen. Lobbyisten der fossilen Energiewirtschaft und Gegner der Energiewende malen hier gerne Horrorszenarien an die Wand und verweisen sogar darauf, dass bei der jetzigen Stromerzeugung es jede Nacht zu dem Problem kommt, dass die logischerweise wegfallenden Kapazitäten aus der Photovoltaik dazu führen, dass Deutschland Strom aus dem Ausland importieren müsse. Das ist erst einmal korrekt, zeugt jedoch auch von ökonomischer Ahnungslosigkeit. Der europäische Strommarkt ist vernetzt, und geliefert wird – so dies technisch möglich ist – immer der günstigste Strom; unabhängig davon, in welchem Land er produziert wurde.
Schaut man sich den europäischen Stromhandel in diesem Jahr an, erkennt man, das Deutschland den meisten Strom aus Dänemark (v.a. Windkraft), Frankreich (v.a. Atomenergie) und Norwegen (v.a. Wasserkraft) bezieht. Das ist kein Bug, sondern ein Feature. Liegt z.B. der Preis für dänischen Windstrom oder französischen Atomstrom nachts unter dem Strom, den ein deutsches Gaskraftwerk aufruft, wird der Strom importiert. Das nennt sich Marktwirtschaft und sollte gerade der CDU eigentlich bekannt sein.
Doch an dieser Stelle fängt ein großes Problem an, das maßgeblich für die hohen Strompreise in Deutschland ist: Diese Betrachtung ist größtenteils theoretisch, da die Leitungen es physisch oft gar nicht hergeben, stets Strom vom günstigsten Anbieter zu kaufen und zu beziehen. Es nutzt dem Industriebetrieb in Mannheim oder den Stadtwerken in München wenig, dass es nachts preiswerte Überkapazitäten von Windenergie in Dänemark gibt, wenn die Leitungen es nicht hergeben, den Strom in den Süden Deutschlands zu liefern. Dann muss stattdessen ein deutsches Gaskraftwerk einspringen und teuren Strom liefern.
Besonders dramatisch ist dies übrigens auch auf dem innerdeutschen Strommarkt. Hier kommt dann ein Mechanismus namens Redispatch zum Einsatz. Grob erklärt: Wenn ein Industriebetrieb oder die Stadtwerke im Süden Deutschlands an der Leipziger Strombörse für morgen 16:00 Uhr zehn Megawattstunden Strom von einem norddeutschen Windpark für 1.400 Euro einkaufen, der den Strom aber zur gebuchten Zeit gar nicht liefern kann, weil die Netzkapazität dies nicht hergibt, muss ein Gaskraftwerk aus Süddeutschland einspringen, das physisch liefern kann, für den Strom dann aber z.B. 2.500 Euro aufrufen darf. Die 900 Euro Differenz werden als Redispatch-Kosten bezeichne




