Einsamkeit als Geschäftsmodell: Bewegender Tatort „Überlebe wenigstens bis morgen“ aus Stuttgart
Update: 2025-11-21
Description
Monatelang tot unentdeckt in der eigenen Wohnung
Nach einem Brand in einem Wohnhaus entdeckt die Polizei die Leiche einer jungen Frau. An deren Überresten bleibt die Kamera glücklicherweise nicht lange hängen.
Im Gedächtnis bleiben dafür umso mehr die unterkühlten Aussagen der Nachbarin, die wenig Interesse an der neuen Mitbewohnerin zeigt. Außerdem hatte Nelly Schlüter über verschiedene Dating-Apps versucht, Männer kennen zu lernen.
Einsamkeit als Geschäftsmodell im Netz
Für die Kommissare Lannert und Bootz geht es darum herauszufinden, ob Nelly nun ihr Leben aus Verzweiflung selbst beendet hat oder ob sie doch umgebracht wurde. Menschen, die intensiv versuchen, zu anderen Kontakt aufzubauen und das nicht schaffen, sind gefährdet. Weil sie am Alleinsein leiden.
Einsamkeit: Das Problem ist nicht neu, Corona hat aber gerade bei Jüngeren wie ein Brandbeschleuniger gewirkt. Der Film thematisiert auch, wie sich um dieses Phänomen herum eine Traube von Hilfe- und Selbsthilfeangeboten im Netz gebildet hat, von seriös bis windig. Manche machen sogar aus Suizid ein Geschäftsmodell.
Klischees werden geschickt vermieden
„Überlebe wenigstens bis morgen“ heißt der titelgebende Song des Liedermachers Gundermann. Aber was, wenn man an das „Morgen kommt es wieder anders rum“ nicht mehr glaubt? Der Film erzählt davon, ohne larmoyant zu werden.
Überhaupt gelingt es Regisseurin Milena Aboyan und ihrer Hauptdarstellerin Bayan Layla, Klischees weitgehend zu vermeiden. Und zu zeigen, wie enttäuschte Erwartungen im Bezug auf Liebe und Anerkennung toxisch werden.
Auch Tatort-Kommissare sind einsam
Der Tatort erzählt schlaglichtartig in Zeitsprüngen, wie sich Nellys Verhältnis zu ihrer Umwelt verändert und wie sie sich immer wieder in Traumwelten verliert. Berührend dabei die Rolle der hilflosen Eltern, die es aufgegeben hatten, sich ihrem erwachsenen Kind zu nähern.
Und wie sich das bei den Ermittlern spiegelt: Lannert als einsamer Porschefahrer, der sich in die Arbeit stürzt, während sein jüngerer Kollege an die eigenen Kinder denkt.
Die falschen Fährten, die der Film zur Spannungssteigerung legt, sind nicht alle gut zu Ende geführt. Aber sein insgesamt zurückhaltender Ton überzeugt mit der Empfehlung, sich nicht aus dem Weg zu gehen, Eigenheiten und Reibereien anzunehmen. Und, wie es die hemdsärmelige Kollegin Möbius demonstriert, im Zweifel lieber mal die Samthandschuhe wegzulassen.
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